Lymphchirurgie

Eine Information zur Lymphchirurgie von Prof. Dr. med. Christan Taeger
Prof. Taeger beantwortet im Forum Fragen zur Lymphchirurgie.

Patienten mit chronischem Lymphödem ­– anlagebedingt (primär) oder nach z.B. Tumoroperation (sekundär) – sind meist von erheblichen Einschränkungen, immer wiederkehrenden Infektionen und nicht zuletzt von kosmetischen Einschränkungen gezeichnet. Oft versuchen Betroffene jede Chance einer Verbesserungsmöglichkeit ihrer Erkrankung zu ergreifen.

Neben der unstrittigen konservativen Therapie mit Entstauung und Kompressionstherapie gewinnen mikrochirurgische Eingriffe, also die sogenannte Lymphchirurgie, zunehmend an Bedeutung.


Wie lassen sich Lymphödeme mittels der Lymphchirurgie behandeln?

Auch die modernsten Verfahren der Mikrochirurgie werden nicht von allen Seiten einheitlich bewertet. Aussagen, von "man kann damit Patienten heilen" bis "auf keinen Fall sollte das gemacht werden" können im Netz angetroffen werden. Was hat es also damit auf sich - was können PatientInnen erwarten und woran kann man eine gute Einrichtung für derartige Eingriffe erkennen?

Wann macht ein Eingriff Sinn?

Vorne weg: Die modernen mikrochirurgischen Verfahren, wie zum Beispiel "lymphovenöse Anastomosen" oder der "freie vaskularisierte Lymphknotentransfer" helfen – sofern erfolgreich durchgeführt – vor allem die wässrige Komponente in der betroffenen Körperregion zu adressieren. Je weicher ein Lymphödem ist, sich Dellen gut eindrücken lassen, umso mehr Sinn macht es also, sich über einen derartigen Eingriff Gedanken zu machen. Ist das Lymphödem sehr weit fortgeschritten und extrem verhärtet, desto weniger sind mikrochirurgische Verfahren zielführend.

Konservative Therapie vs. Chirurgie

Oft wird in Foren gewarnt, man solle sich in keinem Fall im Frühstadium operieren lassen, hier solle ausschließlich die konservative Therapie durchgeführt werden. Korrekt sollte es aber vor dem Hintergrund des fortschreitenden Schadens der Lymphbahnen und der zunehmenden Verfestigung des Gewebes aber heißen: Sofern konservative Maßnahmen nach einem ausreichend langem Zeitraum (6-12 Monate) nicht zu einer wesentlichen Befundverbesserung/Auflösung der Symptome geführt haben, sollte dringlich über eine operative mikrochirurgische Behandlung nachgedacht werden.

Je länger der Patient wartet, desto weniger gut sind die Voraussetzungen für eine operative Therapie mit rekonstruktiven Verfahren. Dies ist allerdings auch im Einzelfall individuell zu sehen: Bei manchen Patienten schreitet das Lymphödem und der Schaden am Gewebe sehr schnell voran, bei anderen Patienten kann auch noch nach vielen Jahren des Krankheitsbeginns eine mikrochirurgische Therapie erfolgreich sein.

Wann ist die Behandlung eines Lymphödems erfolgreich?

Was bedeutet nun erfolgreich? In den allerwenigsten Fällen kann man PatientInnen "heilen", in der überwiegenden Anzahl der Fälle aber eine deutliche Verbesserung herbeiführen und zumindest den Krankheitsverlauf aufhalten und die Intensität an konservativen Maßnahmen reduzieren. In Einzelfällen können PatientInnen diese sogar beenden. Viele PatientInnen haben Angst, dass diese Form der Therapie sogar in vielen Fällen schadet. Natürlich hängt das nicht zuletzt von den geplanten Verfahren ab, allerdings wurden in den letzten Jahren viele Neuerungen bei den Operationen eingeführt. Bei den lymphovenösen Anastomosen geht der Trend ganz klar weg von multiplen Anastomosen zu nur noch 1-2 Anastomosen pro Extremität. Diese können vom Operateur mit sehr viel mehr Konzentration in deutlich kürzerer Operationszeit durchgeführt werden, der Fluss auf diesen wenigen Anastomosen ist höher und reduziert dadurch auch die Anastomosen-Verschlussrate. Für eine Verbesserung reichen diese wenigen Anastomosen aber meist aus. Kommt es dennoch zum Verschluss, so hat der Patient immer noch andere Lymphbahnen, sodass das Risiko einer Befundverschlechterung minimiert ist. Im Bereich des freien Lymphknotentransfers bedient man sich heute Techniken, bei denen mit hoher Sicherheit nur die Lymphknoten entnommen werden, die entbehrlich sind, wohingegen die "wichtigen" Lymphknoten markiert und geschont werden (Reverse lymphatic mapping) können.

Wann können gute Ergebnisse erzielt werden?

Insgesamt muss festgehalten werden, dass wirklich gute Ergebnisse fast immer nur dann erreicht werden, wenn das gesamte Zusammenspiel zwischen operativer und konservativer Therapie perfekt aufeinander abgestimmt ist. Im Verlauf kann dann ggf. die Intensität der konservativen Therapie reduziert und in Ausnahmefällen vollständig auf sie verzichtet werden. Sind keine ausreichenden Lymphbahnen mehr vorhanden und überwiegt die Verfestigung des Gewebes durch Protein- und Fettablagerung, so kann die Fettabsaugung (Liposuktion) in ausgewählten Fällen und bei korrekt eingesetzter Technik das Verfahren der Wahl sein. Auch hier muss klar kommuniziert werden, dass auch nach erfolgtem Eingriff die konservativen Therapiemaßnahmen fortgeführt werden müssen.

Woran erkennt der Patient, ob er sich in einem guten Zentrum befindet?

  • Suchen Sie nach Erfahrungsberichten anderer PatientInnen
  • Fragen Sie nach der Patientenanzahl, die das Zentrum durchschnittlich operativ behandelt.
  • Welche technische Ausstattung wird vorgehalten?
  • Wird eine Fluoreszenzbildkamera zur präoperativen Diagnostik und OP-Planung eingesetzt, verfügt das Zentrum über eine im OP-Mikroskop integrierte Fluoreszenzeinheit?
  • Gibt es ein differenziertes Nachbehandlungsschema?
  • Arbeitet der Chirurg mit konservativen Lymphkliniken zusammen?
  • Werden die PatientInnen vom behandelnden Chirurgen auch in der Phase nach der Operation über Jahre hinweg nachbetreut?

Am Schluss sollte für Sie als PatientIn klar sein, dass sich innerhalb des Zentrums ein spezielles Team mit hoher Motivation, klarem Plan und entsprechender Expertise um Sie kümmert. Im Zweifel sollte immer eine Zweitmeinung eingeholt werden. Nicht selten können Ihnen auch KollegInnen aus konservativ tätigen Lymphkliniken einen guten Rat geben, denn hier können die KollegInnen die operativen Ergebnisse der Zentren und deren Patientenführung beurteilen.

Unsere Verfahren in der Lymphchirurgie:

Lymphovenöse Anastomose(n)

Im Bereich der betroffenen Extremität werden mit Hilfe von Fluoreszenzbildgebung einzelne Lymphbahnen aufgesucht und unter dem Operationsmikroskop mit Blutgefäßen (Venen) verbunden (sog. "lymphovenöse Anastomosen").

Lymphknotentransplantation

Hierbei werden körpereigene Lymphknoten mit blutversorgenden Gefäßen entnommen und in die betroffene Körperregion transplantiert. Dabei wird darauf geachtet, dass nur Lymphknoten entnommen werden, die in der entsprechenden Region für den Körper verzichtbar sind.

Liposuktion

Überwiegt verfestigtes Gewebe im Spätstadium eines Lymphödems kann mit Hilfe der Liposuktion das überschüssige verhärtete Gewebe entfernt werden.

Mikrochirurgische Behandlung von Lymphozelen und Lymphfisteln

Kommt es beispielsweise nach einer Operation zur Ansammlung von Lymphflüssigkeit oder auch Austritt von Lymphe, so kann mit Hilfe von mikrochirurgischen Techniken unter Zuhilfenahme von Fluoreszenzbildgebung Abhilfe geleistet werden.

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